Internationales Fairness-Forum 2008sponsored by Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG Die Fairness der Macht und die Macht der Fairness Nach der Begrüßung der Redner und der Gäste durch Dr. Norbert Copray führte er in das Thema ein: „Macht entsteht in sozialen Systemen, wo Ressourcen verwaltet und vergeben oder eingesetzt werden, wo Befugnisse zu- oder aberkannt werden können, wo die Wahl von Bürgern oder Konsumenten politische, ökonomische und mediale Macht entstehen lässt – im schlechtesten Fall alles in einer Machtkonzentration, wie die Berlusconi- und Putin-Imperien exemplarisch zeigen. Mit Macht richtig umzugehen, verstehen wenige. Allenfalls wird ein machiavellistischer Machtstil praktiziert, der die Macht erhält und ausbaut. Da ist die Grenze von der Macht zur subtilen und strukturellen Gewalt schnell überschritten. Macht mit und für Fairness einzusetzen, ist häufig verpönt. Und diejenigen, die es wollen, wissen oft nicht, wie es praktisch geht. Der berühmte buddhistische Mönch, Zen-Meister und Friedensaktivist Thich Nhat Hanh unterscheidet funktionale und zielversessene Macht von wahrer Macht. Sie unterscheidet sich von der Macht-um-jeden-Preis durch die fünf Kräfte, die ihr innewohnen: Vertrauen, Tatkraft, Achtsamkeit, Sammlung und Verstehen. Wer diese Kräfte kultiviert, erlange die Fähigkeit, „andere Menschen wirklich zu führen“. Der Unterschied zwischen einer Führungskraft oder einem Manager und einer Führungspersönlichkeit werden deutlich. Eine Führungspersönlichkeit lässt sich nicht von destruktiven Emotionen beeinflussen oder hinreißen. Sie „ist außerdem fähig zu lieben, das heißt zu akzeptieren, zu verzeihen sowie andere Menschen mit liebender Güte und Mitgefühl zu umarmen“. Doch diese stark auf persönlicher Ebene angesiedelten Einlassungen reichen nicht aus, wer Organisationen oder Unternehmen als Machtkonzentrate selbst in den Blick nimmt. Wie steuern Politiker und Parteien die Macht des Staates und wie setzen sie diese ein? Wie beeinflussen Wähler und Lobbyisten dabei Politiker und Parteien? Wie gestaltet eine Führungsspitze die Marktmacht ihres Unternehmens, beispielsweise im Energiemarkt? Wie gehen Kirchen mit ihrer Macht als größte Arbeitgeber von Erziehern, Sozialpädagogen und Theologen um? Was machen die Verbraucher mit ihrer – angeblichen, vermeintlichen, tatsächlichen – Macht bei Kauf und Nichtkauf von Waren und Dienstleistungen? Und inwieweit geben welche Eliten in der Gesellschaft der Fairness Vorfahrt vor der leichten Erlangung von Privilegien? Diese Fragen zeigen: allein auf der persönlichen Ebene lässt sich das Verhältnis von Macht und Fairness nicht ausreichend beleuchten. Das Verhältnis von beidem greift tief in private, soziale, regionale, kontinentale und globale Prozesse ein“. Prof. Dr. Reinhard Tietz lehrte und forschte 1974 – 1993 als Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Verhaltensforschung, am Institut für Entwicklung, Umwelt und Quantitative Wirtschaftsforschung im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Zusätzliche Lehraufträge und Gastprofessuren gab es aber nicht nur parallel zur hiesigen Hochschullehrertätigkeit, sondern gibt es auch jetzt noch über die Emeritierung hinaus. Maßgeblich hat Prof. Tietz den Kurswechsel in den Wirtschaftswissenschaften geprägt und mit beeinflusst hin zu einer experimentellen, empirisch begründbaren Wirtschaftswissenschaft. So war er von 1982 – 1995 Vorsitzender der Gesellschaft für experimentelle Wirtschaftsforschung. Prof. Tietz berichtete zunächst aus seinen Forschungen und denen seiner Kollegen, um deutlich zu machen, dass Fairness eine Ausschlag gebende Rolle im Verhalten von Menschen spielt, insbesondere dann, wenn sie von sich aus oder durch äußere Veranlassung den Vorgang des Teilens, des Anbietens und Kaufen sowie des Verhandelns auch aus der Blickrichtung des anderen betrachten. Prof. Tietz konnte an Hand genauer Analysen von Tarifverhandlungen zeigen, wie in einer Planungsspirale nach dem Prinzip der reziproken Blickrichtung Annäherungen, Machtausgleich und –abwehr sowie Einigungen möglich werden. Vor dem Hintergrund der Forschungen und Analysen vertrat Prof. Tietz besonders für die Wirtschaftswissenschaften den Wechsel vom homo oeconomicus zum anthropos kybernetikos, also zu einem Menschenbild, das unterschiedliche Bereiche des Menschen und unterschiedliche Antriebe, die über Rechenkalkül und reines Nutzendenken hinausgehen, mit berücksichtigt und den Menschen in einem vielfältigen Beziehungszusammenhang sieht, in dem er um Ausgleich bemüht ist. Der Mensch setze auf Partnerschaft und Nachbarschaft, weniger auf Konfrontation und Übervorteilung. Wolf Lotter, politischer und ökonomischer Journalist, Mitbegründer von brandeins und dort Leitartikler, legte den Akzent auf die Frage, wie sich Fairness und Macht zueinander verhalten, wenn man sich das Verhältnis zwischen Eliten und der Bevölkerung anschaut. Er trat dafür ein, um der Fairness willen genauer auf die vermeintlich oder tatsächlich Mächtigen zu schauen, auch, um ein faires Urteil zu fällen. An Hand konkreter, aktueller Beispiele wies er auf, wie vorurteilsbeladen und automatisch über Eliten gesprochen und geurteilt werde. Einerseits werden sie ausgegrenzt und suspekt betrachtet, andererseits wirft man ihnen vor, distanziert und undurchschaubar zu sein. Fairer Umgang mit Macht verlange auch, sich um ein faires Urteil über Mächtige zu bemühen, so wie die Macht der Fairness genutzt werden könne, Eliten und Verantwortliche in ein gemeinsames, am Gemeinwohl orientiertes gesellschaftliches Verhalten zu integrieren. Wer etwas aus eigener Kraft und ohne Inanspruchnahme des Staates zu leisten vermöge, der sie genau so wertzuschätzen, wie jemand, der auf Grund von Handicaps auf den Schutz und die Unterstützung des Staates angewiesen sei. Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck, bis 1972 Elektroingenieur bei der Fa. Siemens in Augsburg, studierte danach Studium der Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Universität München. 1981 Promotion über technischen Wandel. Zwischen 1988 und 1992 wiss. Referent beim Ifo-Institut und Geschäftsführer der Gesellschaft für Medienmarketing (München). Seit 1992 Professor für Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken an der Fachhochschule in Würzburg und der Hochschule für Politik in München. Der Vorstandsprecher der SMA Solar Technology AG und frisch gebackene Träger des Deutschen Fairness Preises 2009, Günter Cramer, erläuterte in seinem Vortrag, welche Voraussetzungen, Schritte und Verfahren in seinem Unternehmen realisiert werden, um eine kooperative und faire Unternehmenskultur aufzubauen, weiterzuentwickeln und zu erhalten. Das sehr lebendige Podiumsgespräch griff die von den Rednern vertretenen Thesen auf, ehe sich die Phase der Publikumsfragen anschloss. Wichtiges Thema war die Frage, wie eine faire Führungskultur Krisenzeiten überstehen könne. Und: Dass sich die Macht der Fairness langfristig durchsetzt und die Missachtung der durch Experimente gestützten Tatsache unnötige Umwege, Irrtümer und Schädigungen herbeiführt.
In seinem Schlusswort dankte Dr. Norbert Copray den Rednern für ihr Engagement und ihre profunden Beiträge beim Internationalen Fairness-Forum. Und lud zum Internationalen Fairness-Forum 2008 nach Frankfurt am Main am 25.10.2008 ein, das sich mit dem Verhältnis von Fairness und Macht befassen werde.
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