Internationales Fairness-Forum 2007
sponsored by Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG
Verantwortung im Spannungsfeld von Freiheit und Kontrolle
Nach der Begrüßung der Redner und der Gäste durch Dr. Norbert Copray führte er in das Thema ein: „Jeder steht in Verantwortung, weil niemand allein, sondern nur mit und durch Andere in der Lage ist, Unternehmen und Organisationen aufzubauen, zu erhalten und erfolgreich zu machen. Jeder muss, will er tätig sein und werden, Vorleistungen und Beiträge anderer und die gesamtgesellschaftliche Realität in Anspruch nehmen. Wer kann das besser wissen, als Familienunternehmer, die auf den Leistungen der Vorfahren aufbauen. Und Leistungen erbringen wollen, die auch der nächsten und der übernächsten Generation und damit der Nachhaltigkeit des Unternehmens zu Gute kommen. So begründet sich die Verantwortung gegenüber denen, für die, durch die, mit denen und in deren Auftrag man tätig ist. Diese grundsätzliche Sicht konkretisiert sich dann in der Verantwortung des Einzelnen in seiner Funktion, in seinem Amt, in seiner Position und in seiner Aufgabe. Um diese jeweils ausfüllen, um Verantwortung wahrzunehmen und nicht Befehlsempfänger zu sein, bedarf es eines Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- und Handlungsspielraums. Verantwortung ohne Freiheit und Freiraum macht keinen Sinn. Doch solche Freiheit kann missbraucht werden, Verantwortung in Verantwortungslosigkeit umschlagen. Skrupellosigkeit auch in der Führung großer Unternehmen und Konzerne ist in diesen Zeiten keine Seltenheit.“ Doch nicht nur innerhalb der Unternehmen und Organisationen habe das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Kontrolle eine große Bedeutung, sondern auch im Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft, zwischen Gesellschaft und Unternehmen.
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Prof. Dr. Michael Kosfeld lehrt und forscht heute am Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich. Auf Grund von Studien und Laborexperimenten im Rahmen der empirischen Wirtschaftsforschungen präsentierte er neue Erkenntnisse zur Wirkung von Kontrolle, besonders im Blick auf die Motivationsentwicklung der Mitarbeiter. Seine These: „Vertrauen motiviert zur Verantwortung, Kontrolle fördert Anpassung“. Prof. Kosfeld konnte diese These durch unterschiedliche Untersuchungsdesigns und –ergebnisse erhärten. Daraus schloss er, dass Anerkennung und Aufmerksamkeit für Mitarbeiter durch den Vorgesetzten sowie seine vertrauensvolle Kommunikation mit den Mitarbeitern der Grundstein für die Verantwortungsbereitschaft und –wahrnehmung der Mitarbeiter sind. Erst in einem solchen Kontext macht Delegation wirklich Sinn und wirkt sich effektiv positiv aus. Kontrolle im engeren Sinne sei nur dort erforderlich, wo es weniger um kreative Leistungen gehe, sondern wo ein hoher Routineanteil entstehe, der die Aufmerksamkeit reduziere und daher fehleranfällig sei. |
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Dieter Brandes, Diplom Kaufmann, war viele Jahre Geschäftsführer und Mitglied des Verwaltungsrates von ALDI Nord in Essen. Darüber hinaus war er als Geschäftsführer und Geschäftsleitungsvorsitzender in den Unternehmensgruppen Asko/Metro und coop sowie Wendeln/Kamps tätig. Auslandseinsätze führten ihn als Manager unter anderem in die Niederlande, die USA und die Türkei. Heute ist er freier Berater für Strategie und Organisation. Furore machte mit seinem Buch „Alles unter Kontrolle?“. Dieter Brandes stellte Kontrolle als eine wiederentdeckte und wieder zu entdeckende Führungsmethode dar. Weil Kontrolle unpopulär sei, findet sie nicht oder unzureichend statt. Daher die These von Brandes: „Kontrolle – die verantwortete Freiheit!“ Dabei wollte Brandes Kontrolle in eine Kommunikations- und Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter eingebettet wissen. Kontrolle vollziehe sich geplant, überlegt, zuverlässig und kalkulierbar und erweise sich von daher als ein Dienst für den Mitarbeiter, um ihn in seiner Verantwortung und in der möglichst fehlerfreien Wahrnehmung seiner Aufgaben zu unterstützen. Brandes schilderte eingehend an Hand eigener jahrelanger Praxis und Beispiele Kontrolle als Führungstätigkeit, die er nicht als Gegensatz, sondern als Ausdruck vertrauensvoller Zusammenarbeit von Manager und Mitarbeiter verstanden wissen wollte. |
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Privatdozent Dr. Jürgen Kaschube arbeitet am Lehrstuhl für Organisations- und Wirtschaftspsychologie der Universität München und ist Mitbegründer und seitdem Gesellschafter der PerformPartner – einer Gesellschaft für nachhaltige Beratung. Er vermittelte Erkenntnisse und Einsichten auf Grund von Einzelstudien und Untersuchungen, die kompakt in seine Gesamtstudie „Eigenverantwortung – eine neue berufliche Leistung“, erschienen 2006 in Göttingen, Eingang gefunden haben. Er unterschied eingangs deutlich zwischen Verantwortung und Eigenverantwortung, um dann die Situationen herauszustellen, in denen die Eigenverantwortung von Mitarbeitern und Managern besonders herausgefordert ist. Zum Beispiel, wenn für Situationen im Unternehmen Entscheidungen erforderlich sind, dafür aber keine Vorschriften, Regeln oder Vorgaben existieren. Eigenverantwortung sei immer mit persönlichen Risiken verbunden, werde allerdings durch die Schnelligkeit im Markt und durch komplexe Situationen immer unverzichtbarer für die Unternehmen. Eine wirklich kontrollierende Organisation sei jetzt und in Zukunft gar nicht mehr herstellbar, so dass die Firmen durch die stärkere Ausprägung einer Vertrauenskultur mehr Eigenverantwortung ermöglichen, aber auch belohnen müssten. Die Fragen seien unter anderem: „„Wie viele eigenverantwortliche Mitarbeiter braucht und verträgt eine Organisation?“ und „Wie vermeiden Organisationen eine Überforderung der Mitarbeiter durch ein Zuviel an Eigenverantwortung?“ |
Der Unternehmer und Vorstandsvorsitzende Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell unterstrich in seinem Vortrag die herausragende Bedeutung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Mitarbeiterschaft und Führung. Diese Sozialpartnerschaft habe es ihm ermöglicht, trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, eine zukunftsfähige und solide Unternehmensführung zu gestalten, so dass Verantwortung und Vertrauen einerseits, Kontrolle und Prüfung andererseits keine Widersprüche seien. Ein Schlüssel sei für ihn stets die Kommunikation mit den Mitarbeitern und den Führungskräften vor Ort, ohne die eine solche Unternehmensführung nicht möglich sei. Er sehe sich daher in der Pflicht, stets zu seinen Mitarbeitern intensiven Kontakt zu haben, so dass Kontrolle gar nicht ins Negative abdriften könne, sondern stets als Bestandteil der Kommunikation und des wechselseitigen Austausches gesehen werde. Würde ein Unternehmen auf diese Weise nach innen geführt und sei nach außen Vorreiter gesellschaftlicher und ökologischer Verantwortung, könne der Staat seine Kontrollmaßnahmen auf das Mindeste beschränken, wobei er gegenüber Missbrauch wirtschaftlicher Freiheit wachsam und standfest sein sollte.
Das Podiumsgespräch griff die von den Rednern angeschnittenen Fragen auf, ehe sich die Phase der Publikumsfragen anschloss. Herausragende Rolle spielten die Bedingungen, unter denen Vertrauen und Kontrolle vereinbart und zusammen gestaltbar sind. Und die Frage nach einer überzeugenden Praxis der Fairness und der Unternehmensethik, die dadurch auch größeren Freiheitsspielraum in der Wirtschaft erlauben würde.
v.r.n.l.: Prof. Kosfeld, Graf vonFaber-Castell, Dr. Copray, Hr. Brandes, Dr. Jürgen Kaschube |
In seinem Schlusswort dankte Dr. Norbert Copray den Rednern für ihr Engagement und ihre profunden Beiträge beim Internationalen Fairness-Forum. Und lud zum Internationalen Fairness-Forum 2008 nach Frankfurt am Main am 25.10.2008 ein, das sich mit dem Verhältnis von Fairness und Macht befassen werde.
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