Stress: Ursache und Folge unfairer Attacken

Untersuchungen belegen, dass destruktiver Stress zu einem der größten Gesundheitsrisiken in der modernen Arbeitswelt geworden ist. Konkurrenz, Ressourcenverknappung, Leistungsverdichtung, Arbeitstempo und Zeitdruck nehmen ständig zu.

Jeder dritte Beschäftigte leidet permanent unter Stresssymptomen: Unbewältigter und nicht zu bewältigender Stress ist neben Angst und ungeklärten Machtfragen eine der häufigsten Ursachen für unfaire Attacken. Zugleich sind unfaire Attacken und Strukturen Ursachen einer vom Einzelnen nicht mehr bewältigenden Stressbelastung.

Daher ist es wichtig, sich über den eigenen Stresszustand klar zu werden, die eigene Belastung und den eigenen Anteil an belastenden Situationen wahrzunehmen.

Die Informationen über Stress helfen bei der Orientierung und verbessern Ihre Führungskompetenz:

Stress - was ist das?

Stress ist zunächst eine durch starke Beanspruchung hervorgerufene psychische und physische Anspannung und ihre Auswirkungen. Solange der menschliche Organismus die Stresssituation ohne gesundheitliche Beeinträchtigung bewältigen kann, ist der Stress weitgehend unproblematisch.

Es gibt Stressforscher, die schädliche, den Menschen überlastende Anforderungen als Dis-Stress bezeichnen. Nicht überfordernden Stress nennen sie Eu-Stress. Destruktiver Stress ist ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitsanforderungen und den persönlichen Möglichkeiten und Ressourcen (wie Leistungsfähigkeit, Zeit, Erwartungen), diese zu bewältigen. Stressbelastung kann auch aus Unterforderung resultieren, die den Menschen zu unangemessenen und das Selbst schädigende Verhaltensweisen zwingt.

Bei destruktivem Stress gerät der natürliche Anpassungsprozeß an die Stress auslösenden Reize (Stressoren) aus der Balance. Die Stressbilanz wird negativ. Der Mensch kommt aus einem (dauerhaften) "Alarmzustand" gar nicht mehr heraus. Er wird ängstlicher und gleichzeitig aggressiver, eine Mischung mit hohem Gesundheit gefährdendem Risiko.

Stressoren wirken ständig auf Menschen ein. Entscheidend ist, wie häufig und wie sie von Menschen empfunden und bewertet werden. Das hat nicht unbedingt etwas mit der so genannten Belastungsfähigkeit zu tun, denn maßgeblich ist nicht, ob ein Mensch Belastung lange aushalten, sondern ob er etwas zur Veränderung der Situation und ihrer Rahmenbedingungen unternehmen kann.

Ist diese Möglichkeit verstellt oder geht der Mensch aus anderen Gründen nicht in die aktive Stressbewältigung über, wird der Widerspruch zwischen den Anforderungen und den Bewältigungsgrenzen so groß, dass Angst, innere Anspannung, Hilflosigkeit usw. ausgelöst werden.

Werden diese inneren Zustände nicht wahrgenommen, können sie an Mitarbeitern abreagiert werden oder zu selbst zerstörerischem Verhalten führen.

Wie reagiert der Mensch auf Stress?

Bei Stressbedingungen greifen wir auf erprobte, routinemäßige Handlungsstrategien zurück. Neues wird auf Erfahrungen und Bekanntes bezogen. Kreative Lösungen bleiben meist außen vor. Komplexität reduziert sich auf einfache Ja-Nein- und Schwarz-Weiß-Entscheidungen. Damit passiert unbewusst ein Selbstschutz, eine Art Dienst nach Vorschrift im Arbeitsalltag, um die Gesamtheit der Anforderungen bewältigen zu können.

Der menschliche Körper reagiert auf Stresssituationen nach eingefahrenen Schemata wie vor Millionen Jahren, als unsere Vorfahren noch Jäger und Sammler waren. Flucht, Kampf und Sich-Tot-Stellen sind die Grundreaktionsmuster. Der Organismus mobilisiert kurzfristig sämtliche Reserven. Stresshormone werden freigesetzt. Sie engagieren Energiereserven wie Zucker und Fett, erhöhen den Blutdruck und die Pulsfrequenz, beschleunigen die Atmung. Die Muskulatur wird auf Leistung eingestellt. Anspannung ist die Folge, die ein Hauptindikator von Stress ist. Andere Funktionen werden heruntergefahren wie die Immunabwehr, die Verdauung und Sexualfunktionen. Dies geht einher mit einer Drosselung der körpereigenen regenerativen Funktionen. Am Arbeitsplatz münden die ausgelösten körperlichen Reaktionen allerdings nicht in adäquate körperliche Aktivitäten.

Unter Dauerstress versucht sich der Organismus mit immer neuen Mobilisierungsprozessen an die Anforderungen anzupassen, die ihm aber in einem Büro wenig nutzen.

Dauerstress

Anhaltender Stress führt zur Ermüdung und Erschöpfung, bekannt auch als Burnout-Syndrom.

Hinter mancher innerer Kündigung verbirgt sich dieser Sachverhalt. Unfaire Strukturen sind ebenso ein Nährboden für Dauerstress, wie unfaire Attacken in Dauerstress führen können. Die Erschöpfung steigt mit der Dauer der Stressbeanspruchung steil an.

Dauerstress, zumal, wenn er aus unfairen Attacken und Strukturen resultiert, kann zum posttraumatischen Belastungssyndrom führen.

Körperliche und emotionale Stresssymptome klingen nicht sofort ab. Der Mensch braucht längere Zeit, um wieder sein Gleichgewicht zu finden. Nach hohen Stressphasen kann das sogar Wochen oder Monate dauern oder gar nicht funktionieren. In diesem Fall kann es sich um ein posttraumatisches Belastungssyndrom handeln.

Der Gang zu einem darin kundigen Arzt oder Psychotherapeuten ist dringend anzuraten.

 

vgl. Abb. Müller-Limmroth 1981; aus: Margit Freigang, Gesundheitsschutz im Betrieb, Bund-Verlag

Negative Stressbilanz

  • trockener Mund
  • Kloß im Hals
  • flaues Gefühl im Magen
  • Tränen
  • weiche Knie
  • Adern treten hervor
  • Engegefühl in der Brust
  • Herz-Kreislauf-Beschwerden
  • Herzrasen, Herzstolpern
  • hoher (labiler) Blutdruck
  • Erhöhung des Infarktrisikos
  • Darm- und Magengeschwüre durch erhöhte Salzsäureproduktion des Magens
  • Verdauungsbeschwerden
  • Gastritis
  • Schlafstörungen
  • chronische Müdigkeit
  • Anfälligkeit für Infektionen
  • Veränderung des Cholesterinspiegels
  • Hautveränderungen
  • übermäßiges Schwitzen
  • Schwindelanfälle
  • Atembeschwerden
  • Migräne

Kognitive Ebene

  • Leere im Kopf (Blackout)
  • Konzentrationsstörungen
  • Tagträumen
  • Denkblockaden
  • Gedankenkreisel
  • Gedanken, wie "Pass auf!","das schaffe ich nie", "auch das noch","das geht schief"
  • Gedächtnisstörungen
  • Scheuklappeneffekt: Rigidität
  • Realitätsflucht
  • Leistungsstörungen
  • Alpträume
  • Wahrnehmungsverschiebungen

Emotionale Ebene

  • Ärger
  • Unsicherheit
  • Unzufriedenheit
  • Unausgeglichenheit
  • Gefühlsschwankungen
  • Nervosität
  • Gereiztheit
  • Angstgefühle
  • Schreck
  • Panik
  • Wut
  • Aggressionsbereitschaft
  • Depressionen
  • Apathie
  • Hypochondrie
 

Vegetativ-hormonelle Ebene

Muskuläre Ebene

  • starre Mimik
  • Fingertrommeln
  • Zähneknirschen
  • Fußwippen
  • Spannungskopfschmerz
  • Rücken-, Kopfschmerzen
  • Faustballen
  • Stottern
  • verzerrtes Gesicht
  • nervöse Gestik
  • allgemeine Verspanntheit
  • leichte Ermüdbarkeit
  • Krampfneigung
  • Muskelzittern, Ticks
  • Entspannungsunfähigkeit

Aus: Sicherheitsreport 4/94

Typische Stresskrankheiten

Befindlichkeitsstörungen

  • Kreislaufstörungen
  • vegetative Dystonie
  • Reizmagen
  • Verdauungsstörung
  • Konzentrationsstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Migräne
  • Krankheitsanfälligkeit
  • Abgeschlagenheit
  • Erschöpfung
  • Nervosität
  • Schlafstörungen

Erkrankungen

  • Herzinfarkt
  • Magen-Darmkrankheiten
  • psychische Krankheiten
  • Depressionen
  • Atemwegserkrankungen
  • Suchterkrankungen
  • chron. Immunschwäche

Potentielle Stressoren am Arbeitsplatz

Psychisch-mentale Stressoren

  • quantitative Überforderung durch die Leistungsmenge bzw. das Arbeitstempo
  • qualitative Überforderung durch Informationsflut, Unübersichtlichkeit oder Kompliziertheit
  • Unterforderung, weil der Arbeitsinhalt nicht der Qualifikation entspricht
  • Überforderung durch unergonomische Software
  • widersprüchliche Arbeitsanweisungen
  • ständige Unterbrechungen, z.B. durch EDV-Ausfall
  • unvollständige Informationen
  • mangelhafte Rückmeldungen
  • unklare Zielvorgaben
  • Leistungs- und Zeitdruck
  • Angst vor Misserfolg und Kontrolle
  • hohe Verantwortung für Personen oder Werte
  • ungenügende Einarbeitung
  • unklare Zuständigkeiten

Soziale Stressoren

  • fehlende Anerkennung und Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte
  • schlechtes Betriebsklima
  • Konflikte
  • Konkurrenzdruck
  • isoliertes Arbeiten
  • geringe Entwicklungsmöglichkeiten
  • Diskriminierung oder Benachteiligung
  • Kollision der Arbeitsbedingungen mit Familienerfordernissen
  • Angst vor Arbeitsplatzverlust
  • mangelhafte Information und Beteiligung am Betriebsgeschehen

Physische Stressoren

  • Dauersitzen
  • Autofahren bei dichtem Verkehr
  • Öffentliche Auftritte
  • Überstunden (Arbeitszeiten über 10 Std./Tag)
  • Lärm
  • Kälte bzw. Hitze
  • Nacht- und Schichtarbeit
  • falsche Beleuchtung