Buchtipps
In Seele und Körper eingebrannte Narben
Stichwort
Trauma
Schwerwiegende seelische Verletzungen führen zu tiefen Wunden und Veränderungen
des Menschen. So ergeht es Menschen bei Gewalterfahrungen, bei heftigen Krankheitsverläufen,
bei Mobbing am Arbeitsplatz oder schweren Attacken in Familie und Partnerschaft.
Das Trauma ist wie eine in Seele und Körper eingebrannte Narbe, die nicht
richtig heilen will. Das lässt sich sogar in Gehirnveränderungen
nachweisen. Das Trauma prägt das Leben mit, stört Identitätsprozesse,
wird zur Dauerbelastung. Zur Verletzung gehört oft überfordernder
Stress, der sich zu dem wandelt, was Fachleute „Posttraumatisches Belastungssyndrom“
nennen, eine Art Folgewirkung der Traumatisierung, die ein Eigengewicht entwickelt.
Über den aktuellen Stand der Traumaforschung und –behandlung informieren
Annette Streck-Fischer und ihre Kollegen in dem Fachbuch „Körper,
Seele, Trauma“ aus biomedizinischer, psychologischer und therapeutischer
Sicht. Verschiedene psychotherapeutische Methoden wurden entwickelt, um die
Traumata und das Posttraumatische Belastungssyndrom zu behandeln. Sehr informativ
ist der Überblick, den Jochen Peichl in diesem Buch gibt. Sowie die Beiträge
im Buch von Ulrich Sachsse und Kollegen „Traumatherapie – was
ist erfolgreich?“, das die verschiedenen Behandlungsmethoden vorstellt.
Nicht jedes Trauma führt notgedrungen zu einem Posttraumatischen Belastungssyndrom.
Es geht darum, möglichst frühzeitig traumatisierten Patienten zu
helfen. Eine Methode hat sich als sehr wirksam herausgestellt: EMDR. Das Kürzel
steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing. Der Therapeut
desensibilisiert den Patienten für bestimmte Erfahrungen und steuert
dabei mit seinem Finger die Augenbewegungen des Patienten. Im Hintergrund
stehen neuere Erkenntnisse, wie Erinnerungen im Gehirn abgespeichert und wieder
neu geordnet werden können. Die Begründerin Francine Shapiro hat
das Verfahren in „EMDR“ ausführlich beschrieben. In dem Buch
„Praxis der Traumatherapie“ beantworten Friedhelm Lamprecht und
Kollegen die Frage „Was kann EMDR leisten?“ aus verschiedenen
Blickwinkeln. Tramatisierungen können zu schweren seelischen Erkrankungen
führen. Ein Grund für viele, sich aus Angst vor Stigmatisierung
und der „Klapse“ nicht angemessen mit ihren Verletzungen auseinander
zu setzen. Selbst schwere Symptome wie Suizidversuche, häufig depressive
Phasen, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit werden übergangen. Hauptsache:
„Ich bin doch nicht verrückt“! So haben Fritz Bremer und
seine Kollegen einen Band betitelt, der eindrucksvolle Erfahrungsberichte
von Menschen enthält, die zum ersten Mal mit einer psychischen Krise
und Erkrankung konfrontiert waren. Dazu kommen Beiträge, die psychische
Krankheiten erklären sowie ein sehr guter Überblick zu den möglichen
Hilfsangebote und ihrer Nutzung durch Patienten. Im Fall schwerster seelischer
Erkrankungen, den Psychosen, sehen sich Menschen eigenen und fremden Vorurteilen
ausgesetzt. Asmus Finzens Buch „Psychose und Stigma“ ist eine
wichtige Aufklärungsschrift im Blick auf schizophrene Erkrankungen, die
Betroffenen, Angehörigen und Vertretern veröffentlichter Meinung
helfen kann. Ausgezeichnete Hilfe für Paare bietet das Buch „Psychose
und Partnerschaft“ von dem Ehe- und Autorenpaar Helene und Hubert Beitler,
das die Situation aus eigener Erfahrung kennt.
Der Umgang mit den kindlichen Opfern von Klerikern in Kirchen zeigt, dass
weder Sachverstand noch Einfühlungsvermögen in den Kirchen in nennenswertem
und erforderlichem Maße vorhanden ist. Da ist das Buch der Theologin
Cornelia Faulde „Wenn frühe Wunden schmerzen“ fast schon
ein Wunder. Ein gut verständliches, mit großer Sachkenntnis und
hoher Sensibilität verfasstes Buch, das angesichts traumatisierter Menschen
sowohl theologische Inhalte gerade rückt als auch den Glauben für
die Traumaheilung erschließt. Und da es kaum einen Menschen gibt, der
nicht mindestens einmal mit schwerer seelischer Verletzung oder mit schwer
seelisch Verletzten in Berührung kommt, sollte dieses wertvolle Buch
weite Verbreitung finden.
Dr. Norbert Copray
Rezensierte Bücher:
Helene und Hubert Beitler: Psychose und Partnerschaft. Psychiatrie.
153 Seiten.
Fritz Bremer u.a. (Hg.): Ich
bin doch nicht verrückt. Psychiatrie. 239 Seiten.
Cornelia Faulde: Wenn
frühe Wunden schmerzen.
Grünewald. 184 Seiten.
Friedhelm Lamprecht: Praxis der Traumatherapie.
Pfeiffer bei Klett-Cotta 134. 238 Seiten.
Ulrich Saachse u.a. (Hg.): Traumatherapie.
Vandenhoeck & Ruprecht. 206 Seiten.
Francine Shapiro: EMDR. Junfermann.
486 Seiten.
Annette Streeck-Fischer u.a. (Hg.): Körper,
Seele, Trauma. Vandenhoeck & Ruprecht. 236 Seiten.
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