Buchtipps
Entschlossenheit, Anstrengung und Zeit
Stefan Klein
Die Glücksformel
Oder wie die guten Gefühle entstehen. Rowohlt. 320 Seiten
Um es gleich vorweg zu sagen: Es geht hier
nicht darum, wie gesund, wohlhabend oder clever man sein muss, um glücklich
zu sein. Es geht hier nicht um das Diktat des gelingenden Lebens. Der Philosoph
und Physiker Stefan Klein liefert keine Machbarkeitsstudie des Glücks,
sondern eine gekonnte und leicht fassliche Beschreibung der Neurobiologie
und Biochemie unserer Emotionen. Mit weit reichenden Folgen. Denn im Ergebnis
wird entscheidend sein, sich selbst besser zu erkennen und wohlwollende Beziehungen
in einer möglichst demokratischen gesellschaftlichen Gesellschaft zu
pflegen, um den eigenen guten Gefühlen zum Fluss und damit sich selbst
und anderen zum Glück zu verhelfen.
Die Glücksformel lautet – mit den Worten des Dalai Lama gesprochen:
„Entschlossenheit, Anstrengung und Zeit“. Das bestätigen
jedenfalls die modernen Bezugswissenschaften, die ein Bild von den entscheidenden
Komponenten der Glücksfähigkeit des Menschen zeichnen. Dieses Bild
ist maßgeblich abhängig von den neuen Erkenntnissen, die über
das Steuerungszentrum gewonnen wurden. Das Gehirn ist keine statische Größe,
dessen Verfall mit der Geburt einsetzt. Wenn wir etwas lernen, verändern
sich die Schaltkreise im Gehirn, neue Maschen im Geflecht der Nervenzellen
werden geknüpft. Das Gehirn ist bis ins hohe Alter veränderbar,
umbaubar, entwicklungsfähig. Allerdings entstehen durch Denk- und Bewegungsgewohnheiten
gewissermaßen Dauerautobahnen im Gehirn, was im Fall negativer Emotionen
zur Falle wird und zur Depression führen kann. Denn was die Glücksfähigkeit
von Menschen besonders fördert, ist das Ausschalten negativer Gefühle
und nicht deren Ausleben. Das heißt nicht, das negative Gefühle
verdrängt werden müssen oder gar nicht erst sein dürfen. Doch
sie sollten sehr frühzeitig wahrgenommen und zu Veränderungen des
eigenen Lebens und des Umfeldes genutzt werden. Die Kontrolle von negativen
Emotionen und die Abwesenheit von Unglück ist noch kein Glück. Bewegung,
Aktivität, Achtsamkeit, Genussvielfalt, freie Entscheidungen, Freundschaft,
Liebe und Sex sind die Grundprinzipien der Lebensfreude und des Glücks,
die unser Gehirn in Richtung Wohlbefinden formen. Dabei macht es wenig Sinn,
eine der Grundzutaten des Glücks herauszugreifen und für deren bequemen
Dauerkonsum zu sorgen. Fader Geschmack wäre noch das Harmloseste, was
dabei entstehen würde.
Einfallsreich beschreibt Klein nicht nur die verschiedenen Leidenschaften,
ihre biochemische Entstehung und ihre Auswirkungen auf den Menschen. Einfallsreich
klärt er auch über die Strategien aus unserem Bewusstsein auf, die
uns in Suchfallen auf dem Weg zum Glück führen. Selbsttäuschung,
schlechtes Timing, falsche Erwartungen, Vergleiche und Neid gehören dazu.
Es mag manche verblüffen, dass zum Wohlbefinden und damit zum Glück
von Menschen die gerechte Verteilung von Chancen und Gütern in einer
Gesellschaft gehören. Und die Rede von ICH-AGs blendet nur, denn in Wahrheit
sind solidarische Netze das, was Menschen glücklicher als einsamer Karrierekampf
macht. So kann Klein auch gesellschaftspolitische Aspekte, Voraussetzungen
und Folgen der glückssuchenden Menschen verdeutlichen, die nicht auf
der Zielgerade einer kalten Ellbogengesellschaft liegen. Das haben andere
auch schon vorher geschrieben und gesagt, aber bislang konnte diese Perspektive
nicht mit Erkenntnissen der Gehirn- und Emotionsforschung untermauert werden.
Dazu kommt, dass die Gefühle, von denen vermeintlich rationale Wesen
glauben, sie würden eher grundsätzlich stören als nützen,
unerlässlich sind, um überhaupt Realität wahrzunehmen, einen
Grund zu haben, Entscheidungen zu treffen und mit anderen das Leben zu organisieren.
Ohne Gefühle wird das Leben belanglos und können die Gedanken gar
nicht mehr effektiv gedacht werden, schon gar nicht in nützliche Handlungen
umgesetzt werden. Bleibt also die Freude, überhaupt der Gefühle
und Leidenschaften fähig zu sein, um das Beste für das Leben daraus
zu machen. Vielleicht Glück.
Dr. Norbert Copray
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