Buchtipps
Toleranz aktiver Teilnahme erforderlich
Ulrich K. Preuß
Krieg, Verbrechen, Blasphemie
Zum Wandel bewaffneter Gewalt
Wagenbach. 154 Seiten
Seit dem 11. September 2001 fühlen sich
die USA noch mehr als zuvor berechtigt, Krieg als legitimes Mittel ihrer Politik
einzusetzen, einer Politik, deren ökonomische Interessen mit Menschenrechtsfragen
und Terrorismusbekämpfung eine scheinbar unauflösliche Einheit eingegangen
sind. Die Situation hat hohes Irritationspotential, denn hier passt kein Argument
wirklich zum anderen, kein Verhalten ist schlüssig und hat wirklich
Aussicht auf dauerhaften Erfolg.
Um die Irritationen grundsätzlich in den Griff zu bekommen, hat Ulrich
K. Preuß, renommierter Professor für öffentliches Recht und
Politik an der Freien Universität in Berlin, 23 Fragen aufgeworfen, die
das Themenfeld aufreißen. Der Gelehrte stößt auf diese Weise
zu Überlegungen vor, die nicht einfach in ein Links-Rechts- oder Gut-Schlecht-Schema
zu pressen sind. Äußerst genau wägt Preuß die unterschiedlichen
Gesichtspunkte und Argumente ab, um in seinen 23 Fragen zu einem tragfähigen
Urteil über die Tagespolitik hinaus zu kommen.
Ins Zentrum seiner 23 Antworten stellt Preuß den Wandel der Kriegsauffassung
und der Rolle der Staaten. Er hat dazu geführt, dass der Angriffskrieg
heute als Verbrechen gilt, weshalb mit dem Begriff „bewaffneter Konflikt“
der Angriffskrieg im Sprachgebrauch ausgeschlossen wurde. Während Krieg
seit dem Westfälischen Friedensvertrag ein Rechtsverhältnis zwischen
Staaten begründet, was heute in „bewaffneter Konflikt“ übersetzt
wird, wird der Angriffskrieg als Verbrechen behandelt und dem zu Folge als
Rechtsverneinung. Doch die Diskriminierung des Krieges hat nicht zu seiner
Abschaffung geführt, sondern zu einem Gestaltenwandel, der bis an den
Terrorismus heran reicht. Konsequent daher die achte Frage von Preuß:
„Wie es nach 1989 zu ‚neuen Kriegen’ kam und warum man sie
vom Verbrechen immer weniger unterscheiden kann“. Der Zerfall von Staaten
oder deren Instabilität produziert bewaffnete Konflikte, deren Grenzlinien
schwer auszumachen und schwer einzudämmen sind. Preuß: „Die
politische Wahrheit ist paradox: ohne Staat gibt es keinen Krieg, aber ohne
Staat gibt es auch keinen Frieden. Ohne Staat kann der Krieg nicht in einen
Frieden überführt werden.“ Der Terrorismus wird als Zerfallsprodukt
von Staatlichkeit erkennbar. Preuß verdeutlicht, dass die USA, die sich
als Schutzmacht versteht, einem terroristischen Angriff entgegnen muss, will
sie nicht die staatliche Erosion eigener Machtstellung außerhalb, später
innerhalb ihres Territoriums riskieren.
Im zweiten Buchteil befasst sich Preuß mit der Blasphemie, die in der
religiösen Begründung eines terroristischen Anschlags zu finden
ist. In den monotheistischen Religionen erkennt er Tendenzen, die Unverständnis,
dann Ablehnung und schließlich Hass gegenüber dem Ungläubigen
begünstigen. Dazu kommt das Problem des Islam, zwischen spiritueller
und weltlicher Sphäre zu unterscheiden. Der Versuch islamischer Selbstmordterroristen,
sich durch das Opfer ihres Lebens in den Besitz des Jenseits zu bringen, „ist
eine doppelte Blasphemie, denn sowohl der Glaube wie das menschliche Leben
werden zu Mitteln persönlicher Bereicherung an den Heilsgütern der
Religion degradiert“. Um solchen religiösen Ungeist und seine kulturellen
Voraussetzungen zu überwinden, wäre eine „Toleranz der aktiven
Anteilnahme“ an der befremdlichen wirkenden Kultur der Anderen notwendig.
Das könnte dazu beizutragen, „dass sie ihrem Glauben anhängen
und dennoch Bürger von Gemeinwesen sein können, die nur für
das diesseitige Wohl ihrer Mitglieder, nicht für das jenseitige Heil
verantwortlich sind“.
Dr. Norbert Copray
|