Buchtipps
Stichwort
Depression
Zehn bis fünfzehn Prozent soll der Anteil der an Depression erkrankten
Menschen bei uns und weltweit sein. Hierbei ist von zeitweise schweren depressiven
Phasen die Rede. Etwa die Hälfte der Bevölkerung hat einmal im Leben
mit leichteren Symptomen der Depression zu tun. Depression hat viele Masken,
auch für Fachleute. Bislang war die depressive Erkrankung weithin tabu.
Erst in letzter Zeit entwickelt sich ein offener Umgang mit der seelischen
Krankheit, nicht zuletzt wegen engagierter Ärzte und Therapeuten oder
engagierter Patienten wie Andrew Solomon. Sein Buch "Saturns Schatten"
über die "dunklen Welten der Depression" hat in kurzer Zeit
die Bestsellerlisten erklommen. Der mit 30 Jahren mitten im beruflichen Erfolg
von einer schweren Depression heimgesuchte Autor berichtet in epischer Breite
vom Panorama der Depressionen, den Zusammenbrüchen, den Therapien, den
Suizidrisiken, der Geschichte der Depression. Eine gleichzeitig bewegendes,
ehrliches und informatives Buch. Solomon überlebt mit Hilfe einer Kombination
von Psychopharmaka und Psychotherapie. Eine Vorgehensweise, die die meisten
Psychiater und Psychotherapeuten favorisieren. Einspruch dagegen von Josef
Zehentbauer in seinem Buch über "Melancholie". Er hält
die Psychopharmaka nicht nur wegen der Nebenwirkungen für problematisch,
sondern auch, weil sie nicht zur Depressionsüberwindung führen.
Sobald sie abgesetzt werden, hat der Betroffene die gleiche Ausgangssituation.
Nur ein radikaler und konsequent neuer Umgang mit sich selbst und der Umgebung
könne therapeutischen Fortschritt bringen. Wer einen schwer depressiven
Menschen in nächster Nähe erlebt hat, weiß um die Notwendigkeit,
ihn durch Psychopharmaka überhaupt erst einmal in die Lage zu versetzen,
sich um sich zu kümmern sowie therapeutische Schritte zu gehen. Die neue
Generation der Psychopharmaka in verantwortlicher Arzthand erlaubt, die gewissermaßen
von Fehlreaktionen des Gehirns ausgehenden Störungen so weit zu reduzieren,
dass durch Psychotherapie eine Chance der Deprogrammierung depressionsauslösender
Reaktions- und Verhaltensschema und das Neulernen depressionsvorbeugender
Haltungen und Handlungen besteht. Hervorragend versteht das Volker Faust in
seinem Buch "Schwermut" darzustellen, der zudem allen Betroffenen
Hoffnung macht, über einige Jahre hinweg Depressionen zu überwinden.
Entscheidend sind Konsequenz und Geduld, denn Rückschläge sind nicht
ausgeschlossen. Maßgeblich ist die Bereitschaft von Patienten, gleichsam
wie beim Kohletagebau Schicht für Schicht die Depression stabilisierenden
Strategien, Werte, und Deutungen abzutragen, die sich wie Gesteinsschichten
bei dem Versuch angelagert haben, den einer Depression zu Grunde liegenden
meist frühkindlichen Konflikt zu lösen. Hier geht es im Kern um
den Widerspruch zwischen unerfüllter Liebe und Verschmelzung mit einer
oder mehreren Bezugspersonen, beispielsweise Eltern und Geschwister, und der
gleichzeitigen Wut und Trauer wegen deren Nichterfüllung, die sich gegen
andere oder sich selbst richten kann. Die Deutung der Depression von der analytischen
Psychologie her bringt noch andere, archetypische Motive der Depression zum
Vorschein, weswegen Wolfgang Kleespies in "Licht am Ende des Tunnels"
vom Sinn der Depression spricht. Eine extern ausgelöste Existenzangst
hat sich als tiefe Verletzung in das eigene Selbst eingegraben und dominiert
das Selbst mit Zweifeln, Schrecken und Leere. Insofern ist Philip Martins
"Zen-Weg aus der Depression" ein Angebot, diesen Angst-Meteoriten
aufzugraben, wegzurollen und dem Selbst Impulse zu geben, sich zu heilen und
das von Todesangst gerissene Loch mit Selbstachtung aufzufüllen. Dabei
sind nahe Menschen und Weggefährten unerlässlich, die aber frei
von Destruktion mit dem Betroffenen kommunizieren können sollten. Nähe
nutzt nichts, wenn sie depressive Reaktionsformen reizt. Daher ist das Buch
"Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv ist" von Laura Epstein
Rosen und Xavier Amador unerlässlich. Schließlich belastet die
Depression auch Angehörige und Freunde. Informiert und gut aufgestellt
kann jedoch Begleitung selber sehr heilsam wirken. Schon zu zweit ist der
Weg nicht so weit.
Dr. Norbert Copray
Wolfgang Kleespies: Licht am Ende des Tunnels.
Königs Furt. 267 Seiten
Philip Martin: Der Zen-Weg aus der Depression.
Barth. 192 Seiten
Volker Faust: Schwermut.
Hirzel. 155 Seiten
Laura Epstein Rosen/Xavier F. Amador: Wenn
der Mensch, den du liebst, depressiv ist.
Scherz. 352 Seiten
Andrew Solomon: Saturns Schatten.
Fischer. 576 Seiten
Josef Zehentbauer: Melancholie.
Kreuz. 192 Seiten.
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