Internationales Fairness-Forum 2006
sponsored by Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG
Was macht Führung und Entscheidung erfolgreich?
Ein Rückblick
|
„Unser Ehrgeiz in der Fairness-Stiftung für das diesjährige Fairness-Forum war und ist es, Ihnen meine Damen und Herren, für Ihre Führungs- und Beratungstätigkeit besonders relevante Erkenntnisse vermitteln zu können. Erkenntnisse und Einsichten aus erster Hand aus der experimentellen Wirtschaftswissenschaft, aus der Wirtschafts- und Sozialpsychologie sowie aus der Neurowissenschaft sprich: Gehirnforschung. Sollten die Einsichten dieser durchaus unterschiedlichen Wissenschaften in der heutigen Themenperspektive konvergieren, wäre das ein bemerkenswerter, möglicherweise auch ein sensationeller Befund, dessen Relevanz wahrscheinlich nicht überschätzt werden kann.“ Mit diesen Worten eröffnete Dr. Norbert Copray, geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung , das Internationale Fairness-Forum 2006. |
Prof. Dr. Reinhard Selten, Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften, emeritierter Professor der Wirtschaftswissenschaften in Bonn und Forschungskoordinator des von ihm gegründeten Laboratoriums für experimentelle Wirtschaftsforschung, stellte vor dem Hintergrund zahlreicher Forschungsergebnisse der experimentellen Wirtschaftswissenschaften und der Spieltheorie die Reziprozität – die Gegenseitigkeit – als zentrales Prinzip von Entscheidungs- und Tauschprozessen dar. Das Handeln eines Spielers in einem Spiel wird nicht als egoistisch oder altruistisch, sondern als kooperativ oder nicht-kooperativ bezeichnet. Der typische rationale Spieler ist auf eine Maximierung seines Gewinns aus, und er verhält sich kooperativ, wenn er sich dadurch einen Vorteil verspricht. Ob und wann ein kooperativer Spielzug gemacht wird, hängt von den jeweiligen Spielregeln, der je besonderen Spielsituation, und dem Verhalten (oder dem erwarteten Verhalten) der Spielpartner ab. |
|
Kooperation zwischen Menschen ist i.d.R. für alle Beteiligten vorteilhaft. Die Spieltheorie kann zeigen, wie Spieler aus Eigeninteresse dahin kommen, kooperatives Verhalten zu entwickeln, und unter welchen Bedingungen Kooperation als Standard sich etablieren und erhalten kann bzw. unter welchen Bedingungen Kooperation nicht entsteht oder zurückgeht. Prof. Selten konnte darüber hinaus zeigen, dass über 70 Prozent der Teilnehmer an Entscheidungs- und Kooperationssituationen versuchen, einen fairen Ausgleich zwischen den Beteiligten herzustellen und unfaire Akteure zu bestrafen – und dies weltweit unabhängig von Gesellschaften und Kulturen. 15 Prozent der Akteure müssen allerdings als hartnäckig unkooperativ, dominant und unfair charakterisiert werden.
|
Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurowissenschaftler in Göttingen, entwickelte an Hand der neueren Erkenntnisse der Gehirnforschung klare Vorstellungen davon, wie Führung und Unternehmenskultur beschaffen sein müssen, um Menschen und damit das Unternehmen selbst zum Erfolg zu bringen. Deutlich konnte er zeigen, wie Mitarbeiter und Manager unter Druck, in Angst und bei anhaltendem Stress in ihrer Leistung, Leistungsqualität und beim differenziertem Denken und Handeln nicht nur nachlassen, sondern sogar auf primitive Stufen schematisierten Denkens und Handelns zurückschalten. Das gefährdet nicht nur den Erfolg, sondern bahnt den Misserfolg tatsächlich an. |
Wer also in Führungs- und Entscheidungssituationen Erfolg sicherstellen wolle, müsse dafür sorgen, dass angemessene Herausforderungen und Problemstellungen kombiniert sind mit Bedingungen, die die Gehirnkompetenz des Menschen fördern. Dazu gehören vor allem auch soziale, kooperative und kommunikative Leistungen, die Manager erbringen müssen, um diese Situation zu schaffen. Die bisher von Managern auf diesem Gebiet erreichten oder vorgewiesenen Leistungen reichten dazu bei weitem nicht aus, was sich insgesamt im gesellschaftlichen Bereich bemerkbar mache. So wüchse an Stelle einer wachsenden Fähigkeit der Menschen mit globaler und gesellschaftlicher Dynamik fertig zu werden der Mangel an kooperativer und kreativer Leistung.
|
Prof. Dr. Dieter Frey, der an der Fakultät für Psychologie an der Universität München lehrt, erklärte in seinem Vortrag, wie man in Unternehmen von einer Negativ- zu einer Positivfokussierung gelangen kann und was sie für den Erfolg in Führungs- und Entscheidungssituationen bedeutet. An Hand seiner Formel „Love it, change it, leave it“ entwickelte er Perspektiven und Handlungsstrategien, die Mitarbeiter in die Rolle von Ko-Akteuren eines Unternehmens versetzen. Dazu sei neben einer Visions- und Sinnvermittlung vor allem Fairness erforderlich, die sich in verschiedenen Aspekten der Führungs- und Unternehmenskultur ausdrücke. Dazu unterschied Prof. Frey zwischen prozeduraler, interaktionaler, informationaler Fairness und Ergebnisfairness. Anhand von Forschungsergebnissen in Unternehmen konnte Frey nachweisen, dass eine faire Unternehmens- und Führungskultur die intrinsische Motivation, die Identifikation und das Commitment der Mitarbeiter ebenso erhöht und erhält wie sie Vertrauen, Innovation, Kreativität und Durchhaltevermögen antreibt. |
|
vl.n.r.: Prof. Dr. Dieter Frey, Prof. Dr. Reinhard Selten, Prof. Dr. Gerald Hüther, Dr. Norbert Copray, Prof. Dr. Berthold Leibinger, Erik Prochnow |
Im anschließenden Podiumsgespräch unter der Moderation von Dr. Norbert Copray thematisierte Prof. Dr. Berthold Leibinger, Aufsichtsrat der Trumpf Group und Träger des Deutschen Fairness Preises 2006, die Angst von Mitarbeitern in vielen Unternehmen, die sich Unternehmen eigentlich gar nicht leisten könnte. Er wies darauf hin, wie wichtig es sei, zu allen Mitarbeitern ein Vertrauensverhältnis herzustellen und – ab einer bestimmten Größe des Unternehmens – für höchste Transparenz und Fairness im Unternehmen zu sorgen.
Erik Prochnow, Wirtschaftsjournalist bei Publikationen des Gruner&Jahr-Verlages, monierte, dass Manager zwar durchaus über die Angst der Mitarbeiter sprächen – auch wenn dafür viele Manager völlig unsensibel seien, aber ihre eigenen Ängste in Entscheidungs- und Führungssituationen entweder nicht spürten oder nicht wahrhaben wollten. Dies führe dann entsprechend zu den verkorksten Verhaltensweisen, wie sie zu Recht von Prof. Frey und Prof. Hüther kritisch untersucht wurden. In der Publikumsrunde rief Prof. Selten auf die Frage, wie man mit unfairen Akteuren verfahren solle, dazu auf, ihnen die Chance zu weiteren unfairen Aktionen zu nehmen, indem man sie outet, bekannt macht und ihnen so den Wirkungsraum nimmt. Doch nur, wer bereit sein, auch ein Risiko einzugehen, könne unfaire Akteure wirklich stoppen. |
|
|
Im Schlusswort dankte Dr. Norbert Copray den Speakern und den 250 Teilnehmern des Internationalen Fairness-Forums 2006 und gab einen Ausblick auf das Internationale Fairness-Forum 2007.
|