Aus der Urteilsübersicht:
Erlaubt? Beleidigung des Arbeitsgebers auf Facebook
Vor dem Arbeitsgericht Bochum reichte die Betreiberin eines ambulanten Pflegedienstes Klage auf Unterlassung gegen zwei ehemalige Mitarbeiter ein. Zuvor hatte sie diese innerhalb ihrer Probezeit gekündigt. Die Kündigung erreichte die Beklagten, als diese arbeitsunfähig erkrankt waren.
Die Klägerin begründete ihre Klage auf einer Chat-Unterhaltung der Beklagten auf facebook, in der diese sich über ihre ehemalige Arbeitsstelle unterhielten. Laut Klägerin wurde hierbei „in nicht akzeptabler Weise über den Betrieb (…) und die leitenden Angestellten hergezogen“.
Nachfolgend sind die betreffenden Chat-Inhalte aufgeführt:
Beklagte „"Quizfrage: was passiert beim A1, wenn man nicht der meinung des egozentrischen chef ist und dann auch noch die frechheit besitzt dazu zu stehen?"
Beklagter (…): "man wird gekündigt, per telefon. Armseliger saftladen und arme pfanne von chef. Hat noch nicht mal den arsch in der hose selbst anzurufen."
Beklagte (…): "Kenn ich ;) und das im Au! Ai Ai Ai was die bg dazu sagt und vor allem… Verdi wird sich auch noch melden ;)"
Beklagte (…): "Man bedenke…Ich hab ja ganz normal Au, ist mit auch Latte :-D aber bei dir war´s ein Arbeitsunfall:-D egaaaaaaal, du bekommst deine Kohle eh ganz normal, und der Chef seinen fett weg ;)"
Beklagter (..): "nun wird er eben den sturm ernten. Man verarscht mich nicht und die pfeife schon gar nicht."
Beklagte (…): "Ich liebe meinen Job auch total, hat aber nix mit diesem Drecksladen zu tun. Den Job kannst du überall ausüben. Aber dieser laden wird es nich bereuen das mit uns abgezogen zu haben auf diese Art und Weise ;)"“
Das Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass die Klage zum Teil zulässig, aber unbegründet war. So hat die Klägerin gegenüber den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Äußerungen "Drecksladen", "armseliger Saftladen", "arme Pfanne" und "Pfeife" auf dem facebook-Profil des Beklagten.
Dem Gericht nach stellten diese Äußerungen zum Teil eine Formalbeleidigung dar, sie seien allerdings durch die Meinungsfreiheit gedeckt und hätten damit einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin zur Folge. Hinsichtlich der Beurteilung, wann ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht legitim und wann rechtswidrig ist, heißt es wie folgt:
„Ob ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht durch eine ehrverletzende Äußerung objektiv rechtswidrig ist, hängt wesentlich davon ab, inwieweit es sich hierbei um eine zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG handelt. Wobei selbst polemische und beleidigende Werturteile in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Die Grenze wird überschritten, wenn es sich um sogenannte "Schmähkritik" handelt, die nur noch auf Verunglimpfung abzielt und für die Meinungsbildung keine Rolle mehr spielt. Die tolerable Grenze eines Eingriffs in die Meinungsfreiheit lässt sich mit Hilfe genereller und abstrakter Normen nicht abschließend festlegen. Es kommt auf den konkreten Inhalt sowie die Form der Meinungsäußerung und die gesamten Begleitumstände sowie auf die Folgen an“.
Der Auffassung der Klägerin, wonach der Chat-Dialog von allen Internetnutzern einsehbar und somit öffentlich war, folgte das Gericht nicht. Vielmehr hätten nur Freunde des Beklagten Zugriff auf den Dialog gehabt. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung von Äußerungen in vertraulichen Gesprächen führt das Gericht Folgendes aus:
„Fallen in vertraulichen Gesprächen mit Arbeitskollegen oder Freunden ehrverletzende Äußerungen über den Arbeitgeber oder Vorgesetzte, so wäre eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer darf anlässlich solcher Gespräche regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen würden nicht nach außen getragen. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts nicht schutzwürdig wären, genießen in Vertraulichkeitsbeziehungen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht“ .
Weiterhin führt das Gericht aus, dass diese Grundsätze hinsichtlich Dialogen im Internet übertragen werden müssen. „Aufgrund des technischen Wandels ersetzt ein Chat im Internet immer häufiger das persönlich gesprochene Wort. Solange diese Dialoge nicht für jedermann zugänglich sind, sondern nur für einen überschaubaren Kreis von Personen bzw. Freunden, handelt es sich noch um ein vertrauliches "Gespräch", in dem die Wortwahl gegenüber dem Arbeitgeber auch mal drastischer ausfallen kann. Insbesondere dann, wenn die Äußerungen – wie hier – im Zusammenhang mit einer Entlassung und Lohnrückständen stehen, ist es dem Arbeitnehmer zu verzeihen, wenn er emotional reagiert und die Wortwahl drastisch ausfällt“.
Anmerkung: Da die streitenden Parteien der Empfehlung des Landesarbeitsgericht Hamm folgten und einen Vergleich schlossen, konnte nicht geklärt werden, ob die Entscheidung der Vorinstanz, des Arbeitsgerichts Bochum, unstrittig ist - (5 Sa 451/12).
3 Ca 1203/11
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