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Aus der Urteilsübersicht:

Sind kritische Arbeitnehmer paranoid?

Das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main verurteilte einen Psychiater und Neurologen zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro und der Zahlung der Verfahrenskosten. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der Beklagte vorsätzlich unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt hatte.

In diesen falschen Gutachten hatte der Beklagte vier hessischen Steuerfahndern unter anderem folgende Diagnosen ergeteilt: paranoide Entwicklung, paranoid-querulatorische Entwicklung, partiell paranoide Symptome und eine „wahnhafte, nicht der Realität entsprechende Wahrnehmung und Erlebnisverarbeitung“. Er schloss weiterhin jeweils mit der Schlussfolgerung ab, dass diese Steuerfahnder dienstunfähig seien. Zur Folge hatten diese Gutachten die Zwangsfrühpensionierung der vier Steuerfahnder.

Zu seiner Verteidigung erklärte der Beklagte vor Gericht, dass er die betroffenen Steuerfahnder bereits aus den Medien kannte. Diese hätten jahrelang Öffentlich-keitsarbeit gegen Entscheidungen ihres Arbeitgebers betrieben, jedoch nichts beweisen bzw. bewirken können. Diese Beharrlichkeit und die fehlenden Beweise der Steuerfahnder waren für den Beklagten ein Hinweis, dass die Steuerfahnder „etwas aufzudecken [versuchten], wo es vielleicht nichts mehr aufzudecken“ gab. Damit gab der Beklagte zu, dass er bei der Gutachtenerstellung gegen das Prinzip der Neutralität verstoßen hatte.

Weiterhin stellte das Gericht fest, das es den Gutachten an einer „differenzierten psychischen und psychopathologischen Befunderhebung“ fehle, welche „das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung“ darstelle. Dies hätte zur Folge, dass es den Gutachten an einer nachvollziehbaren und logischen Begründung der gestellten Diagnosen fehlt.

Zum Hintergrund:

Bei den zwangspensionierten Personen handelt es sich um ehemalige Mitarbeiter einer Steuerfahndungsabteilung des Finanzamtes. Deren Abteilung war ab „Mitte der neunziger Jahre bis Anfang 2000 in der Überwachung bestimmter Handlungsfelder von Großbanken eingesetzt.“ Hier deckten sie Fälle auf, „in denen Banken in anonymen großen Sammelbeträgen die Guthaben einzelner Bankkunden gebündelt dorthin überwiesen, wo es kein Quellensteuerverfahren für Zinserträge gab. Dort wurden die transferierten Geldbeträge auf die einzelnen Konten der Bankkunden gebucht (so genannte anonymisierte Kapitalflucht).“ Nach Angabe der ehemaligen Steuerfahnder kam es zu mehreren Fahndungserfolgen und daraus resultierenden bundesweiten Steuernachforderungen.

Mitte 2001 erging an alle Mitarbeiter des Finanzamtes eine Amtsverfügung welche den „Anfangsverdacht für Ermittlungen neu“ definierte. Die Neudefinition setzte die Betragshöhe für einen Anfangsverdacht bei Geldtransfers auf über 500.000 DM fest. Gegen diese behördeninterne Anweisung wandten sich alle vier Steuerfahnder. Sie kritisierten, dass damit die Steuerhinterziehung erleichtert würde. Folge dieser Kritik war die Versetzung der vier Steuerfahnder. Sie wurden „aus dem Bereich der Steuerfahndung in andere Arbeitsbereiche umgesetzt.“ Diese Versetzung konnten alle vier Beamten nicht nachvollziehen und empfanden diese als Bestrafung.

Nach Aussage des Betriebsarztes führte die darauf folgende Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber bei den Arbeitnehmern zu beispielsweise einer „psychosomatische Reaktionsbildung“ und einem chronischer Erschöpfungszustand „mit ausgeprägten Konzentrationsstörungen“. Weiterhin ging der Betriebsarzt davon aus, dass diese Beschwerden mit Beendigung des Konfliktes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschwinden würden.

Schließlich beauftragte die Oberfinanzdirektion das Hessische Amt für Versorgung und Soziales, und damit den Beklagten, mit der Begutachtung der Dienstfähigkeit der vier Beamten.

21 K 1220/09.GI.B



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