Aus der Urteilsübersicht:
Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung
Die Klägerin trat zum 1. April 1995 als kaufmännische Angestellte
in die Dienste der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) ist die Geschäftsführerin
der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) ist für den Vertrieb und das
Rechenzentrum eines Anzeigenblattes verantwortlich. Die Beklagte zu 3) wird
im Impressum dieses Wochenblattes unter der Bezeichnung "Redaktion"
angegeben. Der Beklagte zu 4) ist der verantwortliche Chefredakteur der Zeitung.
Die Klägerin meldete sich des öfteren arbeitsunfähig krank.
Die Berechtigung der ärztlich Atteste wurde von der Beklagten zu 1) angezweifelt.
Schließlich erklärte die Beklagte zu 1) die fristlose Kündigung
des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.
Kurze Zeit nach Rechtshängigkeit
der Kündigungsschutzklage erschien im Anzeigenblatt ein redaktioneller
Beitrag folgenden Inhalts: " Die faulste Mitarbeiterin Deutschlands:
In 3 Monaten nur 3 Tage gearbeitet. Sie könnte die Königin der Tagediebe
sein...Ihr Verhalten ist schräg und unehrlich: In 3 Monaten arbeitet
sie ganze 3 Tage. Jetzt ruft sie das Arbeitsgericht an, es soll ihr zu allem
Unrecht noch helfen, ihre Faulheit zu unterstützen. Arbeitsrecht in Deutschland...
im Jahre 1995!"... "Nach dem zweiten Monat plötzlich wird sie
krank. Immer häufiger. Am Anfang waren es nur ein oder zwei Tage, dann
schon mal eine Woche, später sogar 4 Wochen hintereinander. Und was hat
sie? Der Arzt verweigert jede Auskunft, beruft sich stur auf sein Standesrecht
als Mediziner. Die Firma muss zahlen, Ina fehlt immer mehr. Zunächst
waren es nur Erkältungskrankheiten, die sie von der Arbeit abhielt. Und
plötzlich war es ein Baby, das sie "vielleicht" erwarte! Vielleicht?
Derselbe Arzt war über Wochen unfähig zu sagen, ob tatsächlich
eine Schwangerschaft vorliegt oder nicht. Er schützte sie wohl. Die Firma
sah weiter...Und sie war schwanger. Von wem, weiß sie wohl selbst nicht,
ist auch egal. Ina M. war nun immer und immer wieder krank. Und Ina M. ging
trotzdem immer und immer wieder reiten...ja auf dem Pferd, ganz oben, hopidihop...ohne
Rücksicht auf das Baby. Sie war plötzlich kerngesund - auf dem Rücken
des Pferdes. Und tat ihr mal das Bäuchlein weh, war es der liebe gute
Onkel Doc, der sie liebevoll wieder für Wochen krank schrieb. Die Firma
zahlte, zahlte, und zahlte, Ina lachte, lachte und lachte...! Sie muss sich
fast totgelacht haben über so viel Blödheit des verkalkten Arztes.
So skrupellos kann man sich verhalten, wenn man ein Kind bekommt. Das ist
alles möglich...! Hoch zu Ross auf ihrem Pferd war sie von Arbeitskolleginnen
weiterhin zu sehen, sie grüßte sie, schadenfroh, ironisch, dumm
- frech!"... "Ina reitet noch immer. Trotz Schwangerschaft. Jeden
Tag. Sie ist putzmunter, obwohl sie ihr seniler Arzt noch immer wochenlang
erneut krank schreibt."...
Die Klägerin hat
geltend gemacht, der Artikel sei in sachlichen Behauptungen falsch und grob
ehrenrührig. Es sei auch klar, dass sie mit "Ina M." gemeint
gewesen sei, denn ihr Vorname sei nicht geändert worden, und sämtliche
Arbeitskollegen hätten sofort gewusst, auf wen sich der Artikel beziehe.
Das Arbeitsgericht hat
die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagten zu 3) und
4) als Gesamtschuldner verurteilt, es bei Meidung eines Zwangsgeldes von bis
zu 500.000 DM ersatzweise Zwangshaft zu unterlassen, die Klägerin als
faulste Mitarbeiterin Deutschlands, Königin der Tagdiebe, als schräg
und unehrlich zu bezeichnen, sowie die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner
verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 4.000,00
zu zahlen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Beklagten zu 3) und
4) hinsichtlich des Unterlassungsantrags wegen fehlender Revisionsbegründung
als unzulässig verworfen und im übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten zu 1) und 2) ist insofern das klageabweisende
Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt worden. Die Beklagten zu 3) und
4) schulden der Klägerin gemäß §§ 823 Abs. 1, 830,
847 BGB i. V. m. Art. 1,2 Abs. 1 GG die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Die
Beklagten zu 3) und 4) haben mit der von ihnen vertretenden Presseveröffentlichung
das Persönlichkeitsrecht der Klägerin schwer verletzt.
Das Landesarbeitsgericht
hat zutreffend festgestellt, dass die Anonymisierung des Sachverhaltes unzureichend
war, Rückschlüsse auf die wahre Identität der Klägerin
zu vermeiden. Der Artikel enthält eine ganze Reihe beleidigender Behauptungen,
die nicht durchweg mit der den Beklagten zu 3) und 4) zukommenden Pressefreiheit
gerechtfertigt werden können. Die Beklagten zu 3) und 4) haben nicht
nur über die geringfügige Arbeitsleistung der Klägerin berichtet,
sondern haben ohne zwingende Notwendigkeit Details aus der Intimsphäre
der Klägerin veröffentlicht. Insbesondere bestand keine sachliche
Berechtigung der Beklagten zu 3) und 4), in dem der Artikel beiläufig
zu bezweifeln, ob die Klägerinnen Erzeuger des erwarteten Kindes kenne.
Diese völlig unangebrachte Ehrverletzung brauchte die Klägerin nicht
hinzunehmen.
Die anzustellende Interessenabwägung
fällt deshalb zugunsten des Persönlichkeitsrechtsschutzes der Klägerin
aus. Die Höhe des von den Tatsacheninstanzen festgesetzten Schmerzensgeldes
ist in der Revisionsinstanz lediglich eingeschränkt überprüfbar.
Hiervon ausgehend sind rechtserhebliche Fehler des Berufungsgerichts nicht
feststellbar. Insbesondere hat das Berufungsgericht ausreichend berücksichtigt,
dass lediglich ein kleiner Kreis der Leser des Anzeigenblattes den Artikel
mit der Klägerin in Verbindung bringen konnte. Soweit die Revision geltend
macht, das Landesarbeitsgericht habe unzureichend berücksichtigt, dass
die Klägerin während der ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit
den Reitsport betrieben habe, könnte hierin allenfalls eine Provokation
der Arbeitgeberin und der Kolleginnen der Klägerin gesehen werden, doch
ist nicht erkennbar, inwiefern diese etwaige Vertragspflichtverletztung der
Klägerin beleidigende Äußerungen in einem Presseorgan rechtfertigen
oder in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten.
Bundesarbeitsgericht November 1999
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